Als der Ostbeauftragte der Bundesregierung vor kurzem feststellte, dass Ostdeutsche unter den Führungskräften der Bundesbehörden unterrepräsentiert sind, sorgte dies medial zumindest für eine gewisse Aufmerksamkeit. Allerdings scheint sich das Land 33 Jahre nach der Wiedervereinigung mehr oder weniger an solche ungleichen Zustände gewöhnt zu haben. Dies ist der Hintergrund, vor dem Dirk Oschmann sein Buch verfasst hat.
Dem Germanistikprofessor geht es dabei aber weniger um eine empirische Bestandsaufnahme, sondern um die diskursive Konstruktion “des Ostens” als einheitlicher Block. Er betrachtet die negativ konnotierte ostdeutsche Identität dabei als eine Zuschreibung durch den Westen: als rückständig, unkultiviert, populistisch, fremdenfeindlich, undankbar. Aus Oschmanns Sicht definiert sich der Westen noch immer als Norm und den Osten als Abweichung, zum Beispiel in der Beschreibung der deutschen Nachkriegsgeschichte oder im Narrativ, der Osten müsse seit 1990 zum Westen aufholen.
Dass der Autor dabei eine Menge Wut im Bauch hat, wird an seinem Schreibstil deutlich: polemische Rhetorik, starke Zuspitzung und das Kokettieren mit dem Vorwurf des “Jammerossis”, um Kritik vorzubeugen. Es lässt sich etwa trefflich darüber streiten, ob Ostdeutsche in der Demokratie der Bundesrepublik tatsächlich erneut “entmündigt” wurden, wie der Autor schreibt. Trotzdem ist Oschmanns Buch ein Debattenbeitrag, der zum weiteren Zusammenwachsen von Ost und West beitragen könnte.
“Dieses Buch wird für Furore sorgen, weil es mit dem alten Muster, den Osten aus dem Westen zu erklären, radikal bricht.”
Stefan Locke, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Key Facts
- Autor: Dirk Oschmann
- Verlag: Ullstein
- Erschienen am 23. Februar 2023
- Seiten: 224
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